Wie Eisbären den Sommer überleben
Shownotes
Wie gut kommt ein Eisbär mit 35 Grad im Schatten klar? Und was bedeutet eigentlich „artgerecht“ – für ein Tier, das sonst in der Arktis lebt?
In dieser Folge von Eis Eis Baby sprechen Zoodirektor Matthias Reinschmidt und Zoopressesprecher Timo Deipter über verbreitete Mythen rund um Eisbären, über tiergerechte Haltung im Zoo – und über die erstaunlichen Fähigkeiten der Tiere, sich extremen Bedingungen anzupassen.
Themen der Folge: Warum Eisbären sich auch in der Sonne aalen Wie Tiere ihre Bedürfnisse selbst regulieren – wenn man sie lässt „Artgerecht ist nur die Freiheit“ – was hinter dem Satz wirklich steckt Jagdverhalten, Körperbau und Wärmeregulierung bei Eisbären Warum feste Fütterungszeiten abgeschafft wurden – und was das verändert Welche Haltungsverbesserungen in Zoos das Tierwohl tatsächlich steigern
🎧 Jetzt reinhören – und erfahren, warum Eisbären nicht frieren, aber durchaus schwitzen können. 📩 Fragen an Herrn Reinschmidt? podcast@bnn.de
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Hey und herzlich willkommen zu „Eis Eis Baby“, dem Eisbär-Podcast der Badischen Neuesten Nachrichten mit freundlicher Unterstützung der Volksbank Pur. Mein Name ist Tina Mayer, ich bin Redakteurin bei den Badischen Neuesten Nachrichten und heute soll es darum gehen, wie sich Eisbären an ihren Lebensraum anpassen können, sei es in der Natur oder in Zoos. Eine Frage wird dabei sein, auch weil sie so häufig gestellt wird, wie kommen die Eisbären eigentlich mit unseren sommerlichen Temperaturen klar?
Über all das spreche ich mit dem Karlsruher Zoodirektor Matthias Reinschmidt und auch heute ist nochmal Zoopressesprecher Timo Deible dabei. Hallo Herr Deible.
Hallo.
Herr Reinschmidt, ich grüße Sie.
Ich grüße Sie auch, wie jede Woche.
Herr Reinschmidt, wir haben jetzt in diesem Sommer schon mehrfach Temperaturen um die 30 Grad gehabt, wie kommen denn die Karlsruher Eisbären mit diesen Temperaturen zurecht?
Liebe Frau Mayer, ich bin jetzt fast zehn Jahre hier Zoodirektor und ich möchte an eine kleine Anekdote erinnern, die mir gleich im ersten Jahr passiert ist. 2015 habe ich am 1. Juli hier angefangen als Zoodirektor und schon eine Woche oder zwei später hat mir ein bekannter Radiosender angerufen und gesagt, es ist 35 Grad, wie kommen die Eisbären zurecht mit den Temperaturen? Und ich hatte mir bis zu diesem Zeitpunkt gar keine großen Gedanken über dieses Thema gemacht und habe gesagt, ich rufe sie zurück. Ich bin direkt zu den Eisbären gelaufen und habe geschaut, damals hatten wir drei Eisbären, wie kommen unsere Eisbären bei diesen brütenden Temperaturen zurecht?
Und was ich gesehen habe, hat mich vollkommen überzeugt. Ich habe einen Eisbär gesehen im kalten Wasser, das ist so Brunnenwasser, was wir aus dem Brunnen kriegen mit 18 Grad, hat sich abgekühlt. Der zweite Eisbär, der lag im Schatten und war ganz ruhig und da war der Rasensprenger noch an, hat ihn ein bisschen benetzt, also auch der hat völlig entspannt ausgesehen. Und der dritte Eisbär, der lag auf der Betonplatte, hat alle vier von sich gestreckt, mitten in der prallen Sonne. Wenn Sie jetzt als Besucher da vorbeigehen, können Sie sagen, ach Gott, der arme Eisbär, der liegt ganz apathisch da, der stirbt vielleicht bald. Nein, hat er nicht getan, er hat sich gesonnt, er hat die Sonne genossen, wie wir Menschen das am Strand auch tun. Aber wir liegen auch nur eine gewisse Zeit am Strand und wenn es uns zu heiß wird, dann gehen wir entweder ins Wasser oder in den Schatten. Und genau so haben es die Eisbären auch gemacht. Nach einer gewissen Zeit ist der Eisbär aufgestanden, hat sich in den Schatten begeben, hat seinen Bedürfnissen entsprochen und genau das müssen wir auch den Eisbären ermöglichen. Sie müssen immer nach ihren Bedürfnissen gehen können und dann ist das Wetter auch gar kein Problem. Man muss wirklich sehen, ein Eisbär, der macht nichts, was ihm nicht gut tut. Also der legt sich nicht in die pralle Sonne, um da zu brüten, sondern wirklich um die Sonne zu genießen. Und das kann er auch und das habe ich gesehen und so habe ich es dann auch gesagt und genau so diese Meinung vertrete ich bis heute. Wenn wir es dem Eisbären nicht ermöglichen, in den Schatten oder ins kühle Wasser gehen zu können, dann wird es problematisch, dann ist es tierschutzrelevant. Aber so müssen wir immer die Wahlmöglichkeit lassen und dann geht es den Eisbären auch gut, auch bei 35 Grad.
Weil Sie jetzt gerade auch das Tierschutzargument angebracht haben. Ich möchte an dieser Stelle tatsächlich noch eine Hörer- oder Hörerinnenfrage stellen, die wir bekommen haben. Und zwar meinte diese Hörerin, das kann alles gar nicht artgerecht sein, artgerecht ist nur die Freiheit. Was sagen Sie da?
Ja, artgerecht ist nur die Freiheit, klar ist das artgerecht. Aber wir sagen ja gar nicht, dass wir unsere Tiere artgerecht halten, sondern tiergerecht. Wir gehen den Bedürfnissen nach. Wenn ich das Tier artgerecht halten wollte, dann müsste ich Robben verfüttern, lebend. Dann müsste ich ganz andere Bedingungen schaffen, das geht nicht. Aber es ist nicht unbedingt das Bedürfnis eines Eisbärs eine lebende Robbe schlagen zu müssen. Der hat einfach Hunger und sucht sich was zu fressen. Also wenn er das Bedürfnis Essen, Fressen einfach gestillt hat, dann ist es in Ordnung. Und so müssen wir die Bedürfnisse der Tiere aufgreifen. Es ist auch kein Bedürfnis eines Tieres krank zu werden, auch nicht in der Natur. Auch da hat es keinen Tierarzt, der kommt und hilft. Das ist nicht das Bedürfnis des Tieres. Oder einfach mal eine Hunger- oder eine Durstphase durchzumachen. All diese Dinge, die greifen in der Natur, die artgerecht ist, die nach seiner Art ist, all das haben wir nicht. Deswegen haben wir keine artgerechte Haltung, aber eine tiergerechte. Wir versuchen die Bedürfnisse der Tiere aufzunehmen und diese zu befriedigen. Und dann haben wir eine vertretbare Haltung.
Und vielleicht kann ich da auch nochmal kurz einhaken. Auch gerade der Begriff Freiheit ist ja ein ganz schwieriger.
Weil Freiheit ist ein rein menschlicher Begriff, den wir so haben. Und wenn wir uns jetzt überlegen, sind wir überhaupt frei? Also was machen wir? Wo können wir hin? Gibt es Grenzen unseres Tuns? Dürfen wir einfach alles machen, was wir wollen? Dürfen wir überall hingehen, wo wir wollen? Dürfen wir auch nicht. Und bei Tieren ist das auch so. Die haben auch ihre Reviere, die haben ihre Grenzen, wo sie nicht weiter können, wo sie nicht mehr weiter hinkönnen. Und deswegen ist es so eine idealisierte, vermenschlichte Sicht auf das Ganze, die sehr schnell ausgehebelt wird, wenn man sieht, dass Tiere auch in der Natur, wenn sie alle Bedürfnisse befriedigt sind, und das ist weit mehr jetzt nur als das Fressen, sondern da gehört ja auch der Sexualtrieb dazu, da gehört das Beschäftigtsein dazu. Und wenn das alles der Fall ist, dann ist es auch so, dass Tiere zum Beispiel im Normalfall gar keine großen Strecken wandern. Weil die Wanderungen von Tieren, seien wir mal ganz ehrlich, das ist todesgefährlich. Jede große Wanderung kann den Tod für ein Tier bedeuten. Und sie machen das deswegen, weil sie müssen. Weil sie zum Beispiel, wie manche Eisbären, es gibt ja sehr unterschiedliche Gebiete, in denen die Eisbären leben, aber manche müssen sehr weit wandern, um zwischen Sommer und Winter zu unterschiedlichen Gebieten zu kommen. Und dann ist das notwendig und dann machen sie das. Andere Eisbären leben aber in Gebieten, wo sie eben nicht so viel wandern. Und genau diese Verhaltensweisen sehen Sie auch bei vielen anderen Tieren, wo man immer von diesen großen Wanderungen spricht. Auch die machen das nur, wenn sie müssen oder wenn sie dann zum Beispiel sich fortpflanzen wollen. Also wenn ein Männchen kein Weibchen in seiner näheren Umgebung findet, dann wandert es. Wenn das Männchen keine Möglichkeit hat in der weiteren Umgebung, dann wandert es weiter. Und all das wird natürlich wahnsinnig gefährlich, weil da trifft es vielleicht auch auf andere Männchen. Die können untereinander kämpfen. Diese Kämpfe können auch tödlich für das einzelne Tier enden. Und so ist es auch bei der Futtersuche, die ja immer schwieriger wird. Gerade eben durch den Klimawandel, der die Tiere so extrem bedroht. Die Tiere haben gar nicht mehr die Möglichkeiten, zum Beispiel im Winter dann an den Eislöchern zu sitzen, wo sie die Ruppen jagen können, wo sie dann eben innerhalb von kürzester Zeit sich ganz viel Speck anfressen können. Auch das wird schwieriger. Und all das ist mit diesem idealisierten Begriff der Freiheit eigentlich überhaupt nicht zusammenzubringen.
Und wenn man das mal wirklich von der wissenschaftlichen Seite andenkt und von der Seite, wie man solche Tiere auch betrachten sollte, da bringen ja so Kampfbegriffe überhaupt nicht weiter. Man muss sehen, dass es den Tieren gut geht, dass die Tiere genügend zu fressen haben, wie du gerade schon gesagt hast, Matthias. Aber es ist natürlich genauso wichtig, dass es den Tieren nicht langweilig wird. Auch das ist unheimlich wichtig. Da hat sich so viel verändert in den Zoos. All das können wir bieten und deswegen sind wir uns auch sicher, dass wir unsere Tiere tiergerecht halten.
Wenn ich Sie jetzt so richtig verstehe, dann ist dieses, diese kritischen Stimmen, wenn man immer hört, in der Natur legen die tausende Kilometer zurück, ist das eigentlich eine sehr romantisierte Sicht der Dinge?
Völlig, völlig. Und die eigentlich auch nichts mit der Realität zu tun hat. Weil kein Eis, der wandert hunderte von Kilometern einfach so aus Spaß, weil er so gerne läuft. Das ist also eine fast schon absurde Sicht auf die Eisfläche. Ich sage das gerne mit dem Können und dem, was man wirklich tut. Ein Mensch, der trainiert ist, der kann auch einen Marathon laufen oder sogar einen Triathlon oder Ultra-Triathlon oder wie sie alle heißen. Das sind Spitzenleistungen. Das macht er aber nur, weil er das wirklich als Sport sieht und macht. Aber er macht das auch nicht jeden Tag. Und nur weil die Menschen die Kapazität haben, das zu machen, machen sie allermeisten eben nicht.
Wie viele Schritte laufen wir am Tag?
Wenn es hochkommt, 10.000 im Schnitt. Das ist aber viel. Das ist ein großer Schnitt. Und deswegen müssen wir das auch nicht machen, um gesund zu bleiben, sondern nur ein gewisses Mindestmaß. Und genau da werden oft die Höchstleistungen eines Wildtieres als Maßstab angesehen. Und das darf man nicht. Das ist vielleicht sogar ein sehr guter Vergleich, den du gerade gebracht hast, aus einem ganz anderen Grund noch. Weil wenn wir sehen, so ein Sportler, der sowas macht, der zu solchen Leistungen fähig ist, sich so hoch trainiert, der macht es nur in solchen Zeiten, wo es uns als Menschen gut geht. Also wo wir eben auch die anderen Sorgen, die wir hätten, wenn wir frei in der Natur leben würden, würden wir das nicht machen. Dann müssten wir uns täglich darum kümmern, zu essen, wo wir schlafen können, wie wir mit einem Unwetter zurechtkommen und, und, und. Das wären unsere Sorgen. Und nicht den Ultratriathlon zu laufen. Und so ist es auch bei den Tieren in der Natur. Die haben ganz andere Sorgen. Und die machen das dann eben nur, wenn sie müssen. Ja, die meisten werden natürlich davon getrieben, dass sie eben Hunger haben. Und dass sie eben der Nahrung hinterher wandern oder eben deswegen auch laufen. Wenn die den Tisch voll gedeckt haben, dann läuft keiner freiwillig.
Es gibt ja auch Eisbären, die sich zum Beispiel sehr niedergelassen haben in der Nähe von Menschen, weil die Menschen viele Abfälle hinterlassen und sie sich dann von den Abfällen ernähren. Das ist alles andere als gut für die Tiere. Aber genau dieses, was bei dem Eisbär als erstes Mal das Wichtigste im Kopf ist, ich muss genügend Futter finden. Und dann wandern die dort überhaupt nicht mehr weg, sondern sind in der Nähe dieser menschlichen Müllhalden. Wenn man jetzt aber den Eisbär jetzt mal in seinem normalen natürlichen Lebensraum betrachtet, also in der Arktis, wie ist er da angepasst? Weil das sind ja schon extreme Bedingungen. Wie ist er körperlich auch da angepasst? Dass das dem warm genug ist? Was kommt da dazu? Warum sind die Eisbären so groß?
Muss man sich mal überlegen. Und das in der großen Kälte. Da gibt es eine bergmanische Regel in der Biologie. Je größer die Tiere, je kleiner ist die Oberfläche. Sehen Sie, am besten kann ich Ihnen das vergleichen mit den Pinguinen. Die kleinen Pinguine, die kommen in den wärmsten Gebieten vor. Biskalapagos oder Südamerika, Australien, Zwergpinguine oder die Brillenpinguine in Südafrika. Das sind kleine Pinguinarten. Und je kälter es wird bei den Pinguinen, die großen Königs- und Kaiserpinguine, die kommen wirklich in der Antarktis dort vor, wo es auch 40 Grad Minus gibt. Das heißt, die Oberfläche ist viel kleiner wie das Volumen. Und genauso ist es auch beim Eisbär. Je größer ich bin, je weniger Oberfläche habe ich. Und das steht dann in diesem Verhältnis. Und deswegen ist so ein Eisbär auch ein richtig großes Tier und kann dann mit der Kälte auch ganz anders umgehen. Natürlich ist sein Fell auch entsprechend ausgerüstet, hat ein schönes, dichtes Fell. Und gerade wenn so ein Eisbär mal in Narkose liegt und man kann mal so ein Fell dann auch anfassen, dann merkt man, wie dicht dieses Fell auch ist. Und er hat eine schwarze Haut. Und diese schwarze Haut, die sieht man jetzt gerade, nachdem wir unser Tier noch ein bisschen rasiert haben, um diesen Ultraschall zu machen, unseren Cup, sieht man auch diese dunkle Haut. Die soll einfach die Wärme aufnehmen, wenn die Sonne dann scheint, damit man die Restwärme dann auch nutzen kann, auch in der kalten Arktis. Und Sie haben da ja sogar noch was. Sie haben ja diese Haare.
Warum sind die denn weiß?
Die sind ja eigentlich gar nicht weiß. Die sind so weiß wie unsere Haare, wenn sie dann grau werden. Eigentlich werden die ja farblos. Und so ist es bei den Eisbären auch. Nur dass diese Haare noch eine Funktion haben, kann man sich so vorstellen, dass die Enden der Haare die Sonnenstrahlen aufnehmen und dann auf diese schwarze Haut drauf transportieren und dadurch die Haut nochmal erwärmen.
Interessant.
Und dadurch kann der Eisbär in ganz kurzer Zeit sich aufwärmen. Gleichzeitig, wenn wir jetzt aber wieder zurückkommen bei uns im Sommer, ist es natürlich wichtig, wenn der Eisbär in der Sonne liegt, dann heizt er sich da auch auf. Und der Eisbär kann auch schnell überhitzen. Dann ist es ganz, ganz wichtig, dass er schnell wieder in kaltes Wasser oder in Schatten geht. Und das machen die Tiere sehr zuverlässig selbst. Also wenn ich meinen Pressesprecher so anschaue, dann hat er auch so ein bisschen was vom Eisbär, zumindest was die Haarfarbe anbelangt. Vielleicht ist mir auch deshalb so selten kalt, weil meine Haare so perfekt die Sonne auf meine Haut transportieren. Wahrscheinlich, ja.
Entschuldigung, aber das musste ich jetzt einfach loswerden, nachdem man das so dargestellt hat. Haare, Fell, wollte ich nochmal kurz fragen, weil Sie sagen, der Kap wurde neulich auch untersucht und dann kann man das Fell ja mal auch berühren von so einem Eisbär. Wie fühlt sich das an? Ist das eher weich oder borstig?
Nein, das ist eher so ein bisschen grober, muss man sagen. Also nicht so ganz weich wie beim Kaninchen oder sowas. Nee, das ist es nicht. Das ist schon ein bisschen grober. Vielleicht wie bei einem Schäferhund, so kann man das vergleichen. Also so ein bisschen mehr Struktur drin und nicht so flauschig weich, wie man das jetzt von dem ersten Anblick erwarten würde. Aber wer das mal probieren will, wir haben ja immer wieder einen Infostand von unserem Zooscouts, direkt beim Eisbärengehege und da haben wir auch ein Stück Fell eines toten Eisbärs da liegen und da kann man wirklich mal über so ein Eisbärfell auch mal drüber fassen und das direkt erfassen und dann hat man doch nochmal einen ganz anderen Eindruck. Ja, muss ich mir auch vorbeigehen. Machen Sie mal. Das Fell streicheln. Einmal Eisbär streicheln. Das war jetzt so das Stichwort Wärmeisolierung. Jetzt müssen die ja auch sich fortbewegen in der Arktis, im Schnee, im Eis, im Wasser.
Wie sind Sie dafür vorbereitet?
Ja, da gucken Sie mal diese riesigen Tatzen an. Und wenn man so große Füße hat, dann sinkt man nicht so tief im Schnee ein. Je kleiner man ist, je tiefer sinkt man ein. So ein Reh oder so ein Elch oder sowas, die haben ja so kleine Beinchen, so dünne, die würden da gar nicht zurechtkommen. Aber so ein Eisbär hat ganz breite Tatzen und gerade in der Narkose, das ist natürlich dann das, was man dann auch wirklich mal sieht. Kann man mal so eine riesige Eisbärhand oder Fuß auch mal direkt sehen. Das ist schon sehr, sehr beeindruckend und das ist natürlich eine der Anpassungen an diese auch ganz behaarte Füße, damit man natürlich auch die Wärmeisolation hat dabei. Also das ist schon eine schöne Anpassung an diese kalten Regionen. Stell ich mir gerade ein bisschen wie bei einer Katze vor, nur ein Vielfaches größer. Viel, viel, viel, viel größer. Die Wärmeisolation ist übrigens so gut, dass wenn die Tiere eine lange Zeit laufen, dass sie tatsächlich auch überhitzen können innerlich. Weil sie ja die Muskelwärme, die wir ja auch merken, wenn wir Sport treiben, die Muskelwärme ist ja enorm. Also wir werden ja selber sehr warm vom Körper und der Eisbär schwitzt ja da nicht und er kann es nicht rauslassen. Also selbst in den kalten Jahreszeiten muss der Eisbär, wenn er längere Strecken wandert, muss er sich zwischendurch abkühlen. Entweder muss er Pause machen oder er muss ins Wasser, um sich runter zu kühlen. Also friert ein Eisbär nie?
Ich glaube nicht, dass ein Eisbär friert. Also wenn er zu warm ist, dann hächelt er das auch raus, wie so ein Hund auch. Also der kann ja nicht schwitzen. Und wenn wir uns überlegen, dass so eine Eisbärmutter ja eine Eishöhle macht, also im Eis eine Höhle und sich dann da auch da reinlegt und dann sozusagen ihre Jungen wärmt da drin. Das ist ja auch ein paar Grad plus dann in dieser Eishöhle. Dann hat die Sonne Eigenwärme, die sie auch ausstrahlt, dass sie sogar die kleinen, fast nackten Jungen noch wärmen kann. Und das ist schon spannend. Also diese Anpassung ist schon phänomenal. Die können unheimlich gut die Kälte aushalten. Die können in dem Iglu, den sie ja im Prinzip für ihre Jungtiere bauen, die Wärme so auch an die Jungtiere weitergeben. Und gleichzeitig ist aber auch immer interessant zu sehen, wenn man die Tiere hier im Zoo beobachtet. Zum Beispiel im Winter 23, 24. Da hatten wir nur drei Tage mit Schnee. Ich merke mir sowas immer, weil klar, ich gehe ja viel raus zum Fotografieren im Zoo. Und es ist ja auch immer schön, mal ein paar Schneefotografien zu machen. Und wir hatten eben nur drei Tage, wo es hier in Karlsruhe mal ein bisschen der Schnee liegen geblieben ist.
Und welche Tiere haben wir in der Zeit gar nicht draußen gesehen, beziehungsweise nur einmal ganz kurz, wo wir einmal dann auch Aufnahmen gelungen sind?
Das waren zum einen die Schneeleoparden, die auch super an den Schnee angepasst sind, die aber viel lieber drin in der wärmeren Innenanlage geblieben sind. Und die Eisbären, die ebenfalls drin geblieben sind und auch nicht rausgekommen sind. Und dann merkt man schon, der Eisbär braucht nicht die Kälte. Er kann nur gut damit umgehen. Und so kann er eben auch im Sommer gut damit umgehen. Also der Eisbär kann sich an alles recht gut anpassen. Und das ist eigentlich das Interessante und Wichtige. Und auch in der Natur kommen die Tiere ja auch nicht nur in Gebieten vor, wo es ganzjährig eiskalt ist, sondern es gibt Gebiete, da leben die Tiere im Sommer bei Temperaturen von 20 Grad. In der Herzensee hat man auch Temperaturen um die 30 Grad gemessen. Und auch dort halten sie es aus, obwohl sie dort nur ganz wenig Schatten haben. Da gibt es kaum Schatten, wo sie sich zurückziehen können. Da können sie nur ins Wasser rein, aus dem Wasser raus, um sich abzukühlen. Und da haben wir sogar noch was, was nochmal anders ist als hier, weil da geht die Sonne gar nicht unter. Also manchmal wundere ich mich schon, so ein Eisbär, wenn ich auch den kleinen angucke. Ja, man darf auch diese menschlichen Empfindungen nicht alles auf die Tiere übertragen. Also hier, wenn sie dann in dieses kalte Wasser reinspringen und das ein paar Mal am Tag und jedes Mal völlig durchnässt sind, dann denke ich auch, und das im Winter machen die das genauso. Da hat das Wasser auch nicht mehr wie drei, vier Grad oder sowas. Es gefriert selten bei uns, weil es in Karlsruhe doch ein bisschen wärmer ist. Aber die baden genauso im Winter und da fröstelt es einen, wenn man das anguckt. Aber letzten Endes ist natürlich auch noch eine Speckschicht, eine Fettschicht da, die ihn isoliert. Gleich wie bei den Seehunden und Seelöwen, die schwimmen im Winter auch im eiskalten Wasser und frieren nicht. Und das ist natürlich bei diesen Tieren schon sehr, sehr gut angepasst. Wir dürfen oft nicht den Fehler machen, die menschlichen Empfindungen dann auf die Tiere zu übertragen.
Jetzt würde ich gerne mal kurz aufs Jagdverhalten zu sprechen kommen. Da sind sie ja auch perfekt angepasst an das Leben in der Arktis. Die können sehr lang vor so einer Eisscholle ausharren oder vor so einem Loch in der Eisscholle und auf eine Robbe warten. Die sind auch sehr geduldig dann. Das ist ja eigentlich ihre wichtigste Jagdstrategie, um an die Robben dranzukommen. Es wirklich vor dem Luftloch der Robbe zu sitzen und darauf zu warten, dass die rauskommt. Und das kann ewig dauern. Und da muss man ja als Eisbär hoch konzentriert sein. Und diese Konzentration darf nicht nach 30 Minuten weg sein, weil bis die Robbe kommt, kann das Stunden dauern. Und das ist etwas, was die Tiere unheimlich fordert. Und das ist eben auch so ein Grund, warum man früher Eisbären vielleicht nicht so optimal gehalten hat. Weil man eben viel zu wenig die Tiere vom Kopf gefordert hat. Heute weiß man das und da fordert man das in vielen, vielen Richtungen viel mehr, als man das eben früher getan hat. Beispielsweise durch Enrichment, durch Beschäftigung, das Futter sich zu erarbeiten, durch unterschiedlichste Darreichungsformen. Aber eines haben wir auch abgeschafft seit einem Jahr. Wir haben immer auf unseren Eintrittsprospekten die Fütterungszeiten.
Sie werden auch als Zoodirektor oder als Zoomitarbeiter immer ständig gefragt, wann sind die Fütterungszeiten?
Ja, wir haben das alles in unserem Prospekt stehen. Aber gerade da haben wir auch gemerkt, die Eisbären wissen genau, um 12 Uhr gibt es Futter. Und was machen die? Ab 11 Uhr laufen die hin und her und warten. Die wissen genau, jetzt gibt es gleich unser Futter. Und dann sieht man als Außenstehender stereotypierende Eisbären, die hin und her laufen. Ach Gott, der Arme läuft da hin und her. Er wartet aber in erster Linie auf das Futter, das kommt, weil er genau weiß, ich habe jetzt Hunger und jetzt gibt es dann gleich was. Und um das zu unterbinden und zu minimieren, haben wir jetzt einfach diese festen Fütterungszeiten für Eisbären abgeschafft, machen das ganz variabel. Manchmal gibt es am 9 Uhr morgens, manchmal am 10, manchmal am 15 Uhr. Egal was, der Eisbär weiß nicht, wann das Futter kommt. Das ist beim Kleinen jetzt was anderes, er kriegt natürlich viel Malz am Tag, um ihn immer wieder zu beschäftigen. Aber gerade für die adulten Eisbären ist es so, dass wir jetzt die festen Fütterungszeiten abgeschafft haben und jetzt merken wir auch eine deutliche Reduzierung dieser Stereotypenverhaltens. Die laufen nicht mehr zwischen elf und zwölf hin und her. Manchmal ist es noch so, aber das wird immer mehr abnehmen durch diese Veränderung. Manchmal sind es so kleine Dinge, die man einfach schon immer so gemacht hat, wo wir einfach überdenken müssen und dann eine neue Lösung probieren. Entweder es klappt oder es klappt nicht, aber wir sind eigentlich immer offen für neue Dinge und ich glaube, wir gehen da auch in eine ganz neue und tolle Richtung. Und Eisbären gehören halt auch einfach zu den kompliziertesten Tieren, weil sie eben auch so intelligent sind. Und wenn man solche Tiere hält, muss man sich viele Gedanken machen, muss sich selber immer wieder hinterfragen und da kann man eigentlich immer nur dran wachsen. Bei anderen Tieren haben Sie das nicht?
Also da haben Sie nach wie vor feste Fütterungszeiten?
Bei den Tieren, wo wir keine solche Verhaltensänderung sehen, da brauchen wir es auch nicht. Da ist das auch im normalen Rhythmus drin. Es gibt Tiere, die sind Tag und Nacht aktiv, solche, die aber nur tagaktiv sind oder vor allem Nacht- und Dämmerungsaktiv. Also das ist ein Elefant, der frisst dauernd, auch in der Nacht. Der schläft dann ein bisschen. Auch in der Nacht müssen sie Elefanten füttern und Möglichkeiten des Fressens anbieten. Da ist das eine ganz andere Nahrungsaufnahme. Der muss durch den ganzen Tag- und Nacht-Rhythmus immer ans Futter können. Da können Sie das nicht so machen. Aber auch den beschäftigen wir mit unterschiedlichsten Lägerlien, unterschiedlichsten Löchern, die wir haben. Wir haben ja in den Felsen Fütterungsüberraschungslöcher drin, wo dann irgendwelche Pellets hintendran sind oder Äpfel oder sonst irgendwas in verschiedenen Baumstämmen und ab und zu gibt es da was und dann gibt es dort was und die Elefanten müssen dann suchen, wo kriegen sie was. Die kennen natürlich diese Öffnungen. Also man muss diese Fütterungsstrategien eigentlich immer an die jeweilige Tierart anpassen. Jetzt würde ich noch ganz kurz zum Abschluss was zur medizinischen Versorgung sagen. Sie haben es vorhin schon mal kurz angesprochen, die gibt es natürlich in der Natur nicht.
Leben die Eisbären in Zoos deswegen auch länger als in der Natur?
Wir haben eine deutlich höhere Lebenserwartung in den Zoos wie in der Natur. Da sind einfach ganz andere Einflüsse. Da haben sie Phasen, wo es wenig zu fressen gibt, wo Hungerphasen sind. Das haben sie bei uns nicht. Bei uns haben sie immer Vollpension, muss man schon so sagen. Ich vergleiche das sehr gerne. Das ist vielleicht nicht das Richtige, aber es ist so wie ein 5-Sterne-Hotel mit Animation. Das ist das, was wir unseren Tieren bieten. Die haben keine Phasen, wo sie jetzt Hunger leiden, Durst leiden, wo sie krank sind und nicht behandelt werden. Die haben keinen Feindruck als solches. Das sind alles die Dinge, die wir den Tieren nehmen, die sie aber auch nicht brauchen. Kein Eisbär wünscht sich eine Hungerphase oder Krankheiten, die nicht behandelt werden. Und all diese Dinge wirken in der Natur. Die Natur ist natürlich anders wie in der Haltung. Ich glaube, wir haben einen ganz guten Kompromiss, wenn wir unsere Erfolge in der Haltung sehen. Die Haltung ist deutlich anders wie vor 40 Jahren. Wir sind weiter vorangeschritten, viel moderner, viel stärker auf die Bedürfnisse der Tiere ausgerichtet. Vor ein paar Jahrzehnten war das eher eine Präsentation von Tieren. Da ist die Anlage, da sind die Bären, guckt sie an, bestaunen sie. Das ist heute nicht unser Hauptfokus. Natürlich geht man nicht so, um Tiere zu erleben, aber sie auch in ihrer natürlichen Umgebung oder nachgeahmten Umgebung zu erleben, gesund zu erleben und auf Dauerhaftigkeit ausgerichtet. Ich habe gerade ein Buch von Bremen gelesen. Nein, nicht von Bremen, das war von Hagenbeck. 1906 war da ein Bild drin. Da waren über 20 kleine Eisbären drauf. Das waren alles in der Natur gefangene Tiere, die man da präsentiert hat in einem Gehege. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Wir fangen seit vielen, vielen Jahren keine Tiere mehr. Wir haben Bestände, die können wir züchten, die können wir erhalten. Das ist heute unsere Hauptaufgabe, eine Erhaltungssucht einer genetisch variablen Population, dass wir sie auch noch über viele, viele Jahre erhalten können. Aber um noch mal ganz kurz auf Ihre Ursprungsfrage zurückzukommen. Wir haben ja solche Studien. Der eine hat ja auch unser Zootierarzt Dr. Marco Roller mitgearbeitet und da sehen wir tatsächlich daran, dass sowohl die Jungtiersterblichkeit geringer wird, also es kommen mehr Jungtiere durch, aber auch das Alter der Tiere geht hoch. Und daran sehen wir natürlich schon, es ist nicht nur der Überlebensdruck draußen, sondern es sind auch die Verbesserungen, die wir im Zoo geschaffen haben, die die Tiere älter werden lassen und die auch mehr Jungtiere durchkommen lassen. Da hat zum Beispiel sicherlich auch die bessere Fütterung was mitzutun, dass wir heute saisonal füttern, dass wir schauen, dass die Weibchen im Sommer hochgefüttert werden, relativ dick dann am Beginn des Herbst-Winter sind und so dann auch die Jungtiere gut großziehen können, im Frühling dann aber auch wieder dünner, so wie es auch den Tieren gut tut. Und das sind halt alles Erkenntnisse, die wirklich auch erst neuer mit in die Zootierhaltung eingeflossen sind, genauso eben auch wie die Beschäftigung und dass es eben nicht mehr darauf ankommt, einen gesunden Körper zu haben, sondern dass eben auch der Kopf gesund erhalten werden muss. Und ich glaube, da hat sich so unheimlich viel getan in der Haltung von Raubtieren, von anderen Tieren in Zoos, dass man da ganz tolle Effekte sehen kann und dass man es auch ganz einfach an den Zahlen ablesen kann. Ich glaube jetzt, das lassen wir jetzt so stehen. Ja, da habe ich auch nichts zu sagen. Das ist genau das, was man jetzt zusammenfassen kann. Genau, wir sind am Ende für heute. Vielen Dank auch Herr Deibler, dass Sie dabei waren, Herr Reinschmidt. Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, wir hoffen, dass es euch gefallen hat. Lasst uns gerne ein Like da und aktiviert die Glocke, um keine Folge zu verpassen. Weitere Informationen rund um das Thema findet ihr in der Beschreibung. Wenn ihr Fragen an Herrn Reinschmidt habt, könnt ihr uns diese gerne zuschicken unter podcast.bnn.de. Herr Deible, danke schön für die Expertise, auch an Sie, Herr Reinschmidt und bis nächste Woche. Sehr gerne. Bis nächste Woche.
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