Eisbären in der Wildnis – hautnah erzählt
Shownotes
01:05 – Zusammenarbeit zwischen Zoo Karlsruhe und Polar Bears International 02:30 – Wer ist Geoff York? Ein Leben für die Eisbären 04:50 – Wie gefährlich ist die Forschung im Eis? 08:40 – Beinahe-Begegnungen mit Eisbären 15:00 – Vom Eisbär gebissen – Geoff Yorks gefährlichste Erfahrung 20:00 – Herausforderungen der Feldarbeit in der Arktis 22:00 – Warum der Klimawandel Eisbären bedroht 24:00 – Nuka, Mika und der Beitrag des Zoo Karlsruhe
Geoff York ist leitender Forscher bei Polar Bears International. Seit über 25 Jahren untersucht er das Verhalten, die Wanderwege und Lebensbedingungen von Eisbären in der Arktis. Seine Arbeit liefert entscheidende Daten für den globalen Artenschutz.
Mehr Infos: 👉 www.polarbearsinternational.org
🧊 Mehr über den Zoo Karlsruhe
Der Zoo Karlsruhe engagiert sich seit Jahren im Eisbärenschutz – unter anderem mit Spenden aus der Artenschutzstiftung für Polar Bears International. Mehr zu Projekten und Patenschaften findet ihr hier: 👉 www.karlsruhe.de/zoo
Mehr Infos rund um die Eisbären im Karlsruher Zoo auf der Seite der Badischen Neuesten Nachrichten: https://bnn.de/thema/eisbaeren-zoo-karlsruhe
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Host: Tina Mayer Schnitt: Marcel Oertel Redaktion/Idee: Rebecca Ditt
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[0:04] Hey und herzlich willkommen zu Eis Eis Baby, dem Eisbär-Podcast der Badischen Neuesten Nachrichten mit freundlicher Unterstützung der Volksbank PUR. Mein Name ist Tina Mayer, ich bin Redakteurin bei den Badischen Neuesten Nachrichten. Der Karlsruher Zoodirektor Matthias Rheinschmidt und ich haben heute einen besonderen Gast. Geoff York von der Organisation Polar Bears International ist mit dabei. Der Eisbärforscher kann zwar leider nicht hier bei uns in Karlsruhe sein, er lebt und arbeitet in den USA, aber wir haben im Vorfeld der Aufnahme mit ihm gesprochen. Hallo Herr Rheinschmidt. Hallo Frau Mayer. Das wird eine spannende Folge, oder? Ich bin auch absolut gespannt. Sie haben Geoff York zuletzt im März getroffen, als der kleine Mika erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Da war Geoff hier in Karlsruhe. Und der Zoo Karlsruhe arbeitet nämlich auch mit Polar Bears International zusammen. Wie genau sieht denn diese Zusammenarbeit aus? Ja, an dem Tag, als wir den kleinen Mika der Öffentlichkeit erstmalig vorgestellt haben bei unserer Preisekonferenz, da war Geoff York bei uns.
[1:01] Und wir haben ja eingeladen, extra zu diesem Event, um da auch was Besonderes draus zu machen. Aber auch mit dem Hintergedanken, eben die Zusammenarbeit zwischen Polarbeers International und dem Zoo auch darzustellen. Hat er auch wunderbar getan und hat auch die Bedeutung der Zoos für die Polarbeer International Forschung, also für die Eisbärenforschung, auch dargestellt. Und das ist natürlich schön gewesen. Wir sind erst seit zwei, drei Jahren jetzt mit dieser Polarbeer International verbunden. Und spenden da immer aus unserer Artenschutzstiftung einen gewissen Betrag hin, der sich aber dieses Jahr deutlich erhöhen wird. Das war auch unsere Vorgabe, dass wir spenden, die eben rund um den Eisbär hier eingehen, dass wir die auch der Eisbärforschung und dem Eisbärschutz zur Verfügung stellen. Bisher war es ein Betrag von 5000 Euro, aber der wird dieses Jahr ein Vielfaches davon haben. Das machen wir dann am Ende des Jahres, wenn wir sehen, was ist alles reingekommen. Wir wollten ja den kleinen Mika-Eisbären jetzt nicht vermarkten, um einen kleinen süßen Eisbär zu zeigen, sondern einfach auch mit dem Hintergrund, dass wir sagen, wenn ihr in 100 Jahren auch noch so kleine süße, nette Eisbären wollt.
[2:15] Dann müsst ihr euch gegen den Klimawandel einsetzen und etwas tun. Denn ansonsten ist der Lebensraum der Eisbären weg. Und genau da in dem Gebiet, da forscht Polarbeer International und Geoff York schon fast ein ganzes Leben lang. Wir haben ihn auch gebeten, sich und seine Arbeit vorzustellen. Das hören wir uns jetzt mal an.
[2:39] Ich hatte wirklich Glück während meiner Karriere, dass ich mit Feldforschung beginnen konnte. Feldforschung an wilden Eisbären auf dem Meereis, angefangen im südlichen Beaufortmeer in Alaska, dann in der Chukchensee und seitdem hatte ich die Möglichkeit, in jedem Land, in dem Eisbären leben, mit Ausnahme von Grönland, auch vor Ort zu arbeiten. Den ersten Teil meiner Karriere habe ich also damit verbracht, tatsächlich Forschung zu betreiben. Bären zu fangen, mit ihnen umzugehen, wichtige biologische Proben zu nehmen und, wenn möglich, Ortungsgeräte wie Satellitenhalsbänder anzubringen, damit wir erfahren, wie Eisbären ihren Lebensraum nutzen und was sie tun, wenn wir nicht bei ihnen sind. Das war also mein Anfang. Im Non-Profit-Bereich würde ich sagen, unsere Arbeit ist aufgeteilt zwischen der Unterstützung der Forschung anderer, also der Unterstützung von Forschung an Universitäten, von Regierungsforschung und von Forschung mit anderen Partnern und auch eigener Forschung. Die eigentliche Forschung an den Bären direkt, also so wirklich draußen in der Natur, das ist schon faszinierend, oder?
[3:52] Ja, absolut. Also ich kann das schon auch nachvollziehen, wo seine Begeisterung herkommt, wenn man mal in der Natur forschen kann. Ich habe ja auch vieles erlebt, habe aber selber nie in der Natur geforscht, aber ganz viele Forscher eben getroffen in unterschiedlichsten Projekten auf der Welt. Und da kann ich auch seine Faszination durchaus nachvollziehen, wenngleich das schon ein bisschen kalt ist da oben, wo die Eisbären leben. Das denke ich mir. Was hat es da so jetzt momentan? Es geht schon in die Minusgrade vermutlich. Ja, natürlich.
[4:24] Deutlich weniger wie bei uns. Und im dauernden Minusbereich zu arbeiten, das wäre nicht so meine Sache. Aber da muss man geboren sein dafür und der Joff-Jörg ist es scheinbar. Das glaube ich auch, ja. Jetzt spricht er auch hier mit uns über die Arbeit mit den Bären. Und tatsächlich ist das nicht so ohne, weil wir sprechen hier ja über das gefährlichste Landraubtier der Welt, muss man sagen. Wie schützen sich Menschen denn bei dieser Arbeit? Das hat uns Joff verraten.
[4:55] Es gibt vieles, was man tun kann, um Verantwortung für die eigene Sicherheit zu übernehmen. Das erste ist, sich bewusst zu sein, wenn man sich im Bärenlebensraum aufhält, für uns speziell im Eisbärgebiet, und sicherzustellen, dass man weiß, wie man sich schützen kann. Das wichtigste Werkzeug sind unsere Augen, Ohren und unser Verstand. Wenn man ein Gebäude oder ein Fahrzeug verlässt oder draußen ist, sollte man immer darauf achten, dass kein Eisbär in der Nähe ist, zumindest nicht sichtbar. Wir raten allen, im Eisbärgebiet, auch in bewohnten Orten, Abschreckungsmittel mitzuführen, die vor Ort erhältlich und legal sind. Das können einfache Dinge wie Signalhörner oder Handfackeln sein.
[5:42] In manchen Ländern gibt es Beeren-Spray, das sehr effektiv und leicht zu tragen ist. Und in einigen Fällen gehören auch Schusswaffen als letztes Mittel dazu. Solche Dinge mitführen, wissen, wie man sie benutzt, regelmäßig üben und stets die Umgebung im Auge behalten. Das sind die besten Möglichkeiten, um Ärger mit Eisbären zu vermeiden. Also es gibt, jetzt haben wir es gerade gehört, es gibt Maßnahmen, Dinge, mit denen man sich schützen kann, vom Bärenspray dann doch bis hin zur Schusswaffe als letztes Mittel, die man bei sich trägt. Sie sind Biologe, Herr Rheinschmidt. Können Sie sich sowas auch vorstellen, so zu arbeiten? Wenn man draußen in der Natur ist und dann mit solchen großen Tieren arbeitet, da muss man einfach sich selber immer schützen. Man muss sich auch im Zoo schützen bei solchen gefährlichen Tieren.
[6:31] Da haben wir Sicherheitsmaßnahmen, die natürlich eingeleitet werden oder eben Sicherheitstüren und Schlösser und so weiter. Mit solchen gefährlichen Tieren arbeitet man auch nicht im direkten Kontakt, sondern da ist immer etwas dazwischen. Und in der Natur ist es halt nicht der Fall. Und ja, wenn man einen Wolf oder einen Luchs hat, wenn man die trifft, da kann man noch ein bisschen wedeln oder die sind ja scheu. Ein Eisbär hat keinen Grund, scheu zu sein, wenn ein Mensch da steht. Und also da habe ich einen großen Respekt davor. Ja, wobei einem Wolf wollte ich jetzt glaube ich auch nicht begegnen, wenn ich es mir so überlege. Ich hätte Spaß daran. Ich war auch schon zehnmal da oben im Schwarzwald und habe immer wieder, wenn es Sichtmeldungen gibt, da oben zwischen Horniskrinde und der Bühlerhöhe, wo immer wieder so ein Wolf gesehen wird, wo auch Wolfsgebiet ist, da war ich schon ein paar Mal jetzt und sogar mit meinem Hund. Ja.
[7:32] Noch nicht gesehen, leider nicht. Ich habe auch einen Nachbarn, der ihn schon gesehen hat und das hat mich wieder angestachelt. Ich hatte leider das Glück nicht. Der Wolf hat eine Fluchtdistanz. Dieser besagte Wolf hat 50 Meter Fluchtdistanz. Das sieht man dann auf dem Weg stehen, aber wenn man näher kommt, dann geht er weg. Und das ist beim Eisbär nicht der Fall. Und da hätte ich riesigen Respekt und würde mich natürlich auch mit entsprechenden Abwehrmaßnahmen eindecken. Ich denke jetzt gerade aber, wenn der Wolf nicht weggeht, was dann? Ach, dann aber. Sicher? Das sind scheue Wölfe, das sind keine Samenwölfe, das sind scheue Wölfe. Und die halt eine Fluchtdistanz, das ist ja immer das Fluchtdistanz. Es gibt Tiere, die haben Vögel beispielsweise, wenn sie eine Amsel im Garten sehen, die haben so fünf Meter Fluchtdistanz. Wenn man die unterschreitet, dann fliegt sie weg. Bis zu fünf Meter, beispielsweise bei mir im Garten, sitzt die Amsel und pickt dann irgendwelche Regenwürmer raus. Aber wenn ich dann näher komme, dann ist sie weg. Viele Vögel haben, Eine mehr oder weniger kleine Fluchtdistanz, die, die im Garten vorkommen, durchaus kleinere. Wenn sie draußen in der Natur sind, ist die Fluchtdistanz deutlich höher.
[8:50] Und das ist bei den Säugetieren gerade das Gleiche. Aber der Wolf hat, also so wie es beschrieben wird, eben diese 50 Meter Fluchtdistanz. Und der Eisbär nicht. Der Eisbär nicht, der hat auch gar keinen Grund. Er ist ja das größte Landraubtier der Welt. Und wer soll dem Eisbär wirklich gefährlich werden? Außer dem Mensch, der mit der Waffe kommt, natürlich. Klar, das sieht er aber nicht. Das merkt er dann erst, wenn geschossen werden würde. Und das ist natürlich immer diese Sache. Das wäre ja auch nur das allerletzte Mittel, um sich selbst zu schützen. Und wie Joff uns auch erzählt hat, kam er selbst auch schon in die ein oder andere brenzlige Situation.
[9:38] Ich hatte auch einige besondere Beinahe-Begegnungen. Einmal untersuchten wir, wo Eisbären an der Küste Alaskas ihre Wurfhöhlen wählen. Wir gingen in der Regel erst in die Höhlen, nachdem das besendete Weibchen sie verlassen hatte. Die Höhlen waren meistens leer, was wir an Spuren von Mutter- und Jungtieren erkennen konnten. Eine solche Höhle betraten wir erst gegen Ende der Saison, nachdem die anderen in der Nähe verlassen worden waren. Nach einer Schneedecke landeten wir mit dem Hubschrauber, lärmten, warfen Schneebälle in den Eingang. Kein Problem. Wir schalteten aus, begannen mit der Arbeit. Ich kniete mit GPS am Boden, während der Pilot an der Höhle arbeitete, als er plötzlich »Bär« rief. Ich schaute hoch, er war verschwunden und an seiner Stelle stand eine Eisbärin. Er war blitzschnell zum Hubschrauber zurück. Zum Glück hatte er keine Schusswaffe dabei. Wir tragen bei der Forschung immer Magnum-Revolver als letzte Sicherheitsmaßnahme. Ich hatte meinen dabei.
[10:41] Glücklicherweise war er schwer aus dem Halfter zu ziehen und ich wollte die Bärin nicht aus den Augen lassen. Sie kam auf mich zu, ich stand auf, trat zurück, rutschte aus und fiel auf den Rücken. Sie kam weiter, aber der Pilot startete den Hubschrauber, mein Kollege kam mit gezogener Waffe. Zum Glück reichte der Lärm des Helikopters aus, um die Bärin zu vertreiben. Niemandem ist etwas passiert. Wir haben sie mit ihren beiden Jungen wieder vereint und unsere Arbeit fortgesetzt. Eine solche Situation ist ja ein richtiger Albtraum, aber vermutlich muss man als Forscher mit sowas rechnen, dass man direkt mit einem Bären konfrontiert wird. Absolut, das ist schon brutal, was er da erlebt hat. Überlegen Sie sich, Sie liegen da auf dem Boden und der Eisbär kommt immer näher. Und Gott sei Dank war da dieser Hubschrauber, der dann sein Auto angemacht hat. Das ist natürlich ein irritierendes Geräusch für den Eisbär. Da hat er wirklich richtig, richtig Klüge gehabt. Das hätte auch ganz schön schief gehen können. Möglicherweise sieht man sein Leben da nochmal im Schnelldurchgang an sich vorbeiziehen. Ich war noch nie in so einer Situation, muss ich sagen. Gott sei Dank nicht. Toi, toi, toi. Ich klopfe jetzt ganz leicht auf den Tisch, damit das Mikrofon nicht wackelt. Ausnahmsweise. Ja.
[11:52] Ich will in so eine Situation nicht kommen. Ich habe ja auch vieles erlebt auf der Welt und war bei vielen Tieren.
[12:00] Ich habe aber immer auch eine gewisse Distanz gewahrt, wo es notwendig ist, wo es gefährlich sein könnte. Wobei, wenn Sie die Schimpansen überlegen, ich bin auch bei den Schimpansen gewesen und die sind auch direkt an mir vorbei. Da war kein Meter mehr dazwischen. Aber die waren irgendwie habituiert, die waren nicht ganz so aggressiv auf den Menschen. Die haben den Menschen nicht als Gefahr gesehen, aber auch nicht als Eindringling in ihr Revier. Und deswegen war das dann nicht so gefährlich. Also hier bei uns im Zoo, wir haben ja auch drei Schimpansen, da wollte ich nicht ins Gehege gehen. Also der Benni ist zwar lieb und wir tun uns durch die Scheibe auch Stöckchen, also durch den Schlitz an der Scheibe Stöckchen hin und her schieben, aber reingehen würde ich nicht. Ich habe einen Kollegen gehabt im Berliner Zoo, der Zoodirektor, der leider nicht mehr lebt, aber der hat auch, da sieht man dann die Sachen, jahrelang mit dem Schimpansen immer gut umgegangen, hat eine Besuchergruppe durchgeführt und hat auch noch ein paar Walnüsse dabei gehabt. Und hat dann immer mal so wieder was gegeben. Und in dem Moment, also das ist halt, wenn man abgelenkt ist, dann der Besuchergruppe sich zugewendet hat, hat der Schimpanse eben seinen Finger genommen und dann abgebissen. Und.
[13:27] Ja, da wird man reingezogen, wenn man zu nah dran steht. Es ist immer eine latente Gefahr bei gefährlichen Tieren und da gehören die Schimpansenmänner auf jeden Fall dazu. Und diese Geschichte hatte ich ja auch im Kopf, als der Schimpanse bei mir in der Natur direkt an mir vorbeigelaufen ist, aber er war friedlich. Schnell die Hände in die Tasche gesteckt. Ist doch kein Eisbär. Ein anderes Mal ist Joff von einer Bärin gebissen worden. Also tatsächlich auch. Die früher als erwartet wieder aufgewacht ist. Die war zuvor sediert. Das hören wir uns jetzt auch mal kurz an.
[14:04] Ein anderes Erlebnis war eine klassische Betäubung. Normalerweise verlaufen unsere Fänge reibungslos. Wir sind sehr vorsichtig beim Sedieren, Überwachen und Behandeln der Bären. In diesem Fall war zum ersten Mal ein Tierfotograf dabei, sodass es etwas langsamer voranging. Normalerweise haben wir mit dem üblichen Narkosemittel für Eisbären etwa eine bis anderthalb Stunden Zeit. Wir gerieten etwas in Verzug und als ich ihr das Halsband anlegte, wachte sie langsam auf. Das Mittel heißt Telazol und zeigt zuerst Augenbewegungen, dann Kopfbewegungen, dann Oberkörper. Zuletzt, so hieß es, kehrt der Bissreflex zurück. Bei dieser Bärin war das nicht so. Während ich das Halsband anlegte, verspannte sie sich. Der Kragen zwickte offenbar am Hals und sie bissreflexartig in mein Bein und meinen Oberschenkel. Ich schrie auf, die anderen rannten weg, der Fotograf hat den Moment nicht festgehalten. Wir berappelten uns wieder. Die Bärin schlief wieder ein und wir arbeiteten weiter. Am Abend entdeckte ich an der untersten Kleidungsschicht Blutflecken. Tatsächlich hatte ich Einstichwunden an beiden Seiten meines Oberschenkels.
[15:20] Das musste medizinisch behandelt werden, aber keine Stiche, nur eine kleine Infektion, die leicht behandelt werden konnte. Auch hier hatte ich großes Glück. Herr Reinschmidt, kann der Biologin Ihnen verstehen, warum man bei seiner Arbeit ein solches Risiko in Kauf nimmt, dass man ins Bein gebissen wird wie Joff? Ja, das kann man natürlich verstehen. Man ist da immer voll Adrenalin. Das ist ganz klar in solchen Situationen. Man arbeitet ja Tage, Wochen auf so eine Situation hin, dass man Eisbär dann besendern kann und in Neukose legt. Aber es gibt immer ein Restrisiko, dass auch während der Neukose Tiere aufwachen. Und er hat es ja gesagt, er ist aufgewacht, hat ihn ins Bein gebissen und ist dann aber auch wieder eingeschlafen letzten Endes. Und ja, ich kann das total nachvollziehen. Wir haben ja auch oft Narkosen bei unterschiedlichsten Tieren und unsere Tierärzte sind immer sehr, sehr vorsichtig. Und ich habe zwei kleine Beispiele, die mir selber in dieser Hinsicht so passiert sind, als ich noch für den Low-Pike gearbeitet habe.
[16:22] Habe ich einmal einen Jaguar aus Osnabrück aus dem Zoo geholt. Da war auch ein Fernsehteam dabei, wir haben das alles schön gefilmt. Und die damalige Zoodirektorin war auch sehr, sehr vorsichtig. Wir haben nachts um vier diesen Jaguar dann neikotisiert im Innenraum, Innengehege. Und die mussten natürlich erstmal kontrollieren, ob der auch schläft wirklich. Und als er dann geschlafen hat, dann hat man mit dem Besen erstmal hin, hat ihn ein bisschen an ihn gewackelt und dann hat er tiefgestraft. Okay, jetzt können wir ihn transportieren aus dem Gehege raus in die Kiste. War ein schwarzer Jaguar.
[17:01] Und wir haben ihn auf eine Plane gelegt und sechs Mann dann die Plane gehalten und rein, raus gegangen und wir haben gerade so angesetzt an der Kiste. Plötzlich wackelt er und macht auf, wir haben nur noch reingedrückt, Schiebe runter und Gott sei Dank, in dem Moment ist er auch schon wieder aufgewacht. Er war noch ein bisschen benommen, ganz klar, aber es war dann doch auch eine, boah, da ist bei uns auch das Adrenalin natürlich ganz hochgegangen. Das war die eine Geschichte und die andere Geschichte, die ist aus dem Freiland. Ich war mit Elsners Reisen, unter anderem auf den Bahamas.
[17:40] Um dort Haiforschern eben über die Schulter zu schauen. Und wir waren mit einem Haiforscher eben in den Mangroven und dort wurden Zitronenhaie besendet oder vermessen. Es waren junge, kleine Haie. Und dann haben wir so einen kleinen Hai gefangen. Die sind dann, wenn das Wasser abläuft, aus den, ja, wenn Ebbe und Flut kommt, aus den Mangroven wieder weniger wird, dann gehen die wieder raus. Aber das ist so diese Brutstätte, wo die jungen Haie dann aufwachsen. Die waren so einen Meter lang und dann haben wir so einen Hai gefangen. Und haben den vermessen und den auch in so eine Starre gelegt. Also wenn man die Haie umdreht, dann bleiben die auch ganz ruhig liegen. Und es hat alles gut funktioniert, gechippt worden. Aber dadurch, dass wir im Wasser standen, war das Wasser trüb um uns herum. Und nachdem das Prozedere fertig war, hat man den Hai wieder schwimmen lassen. Plötzlich beißt mich was in meine Wade.
[18:46] Und ich halte meinen Fuß übers Wasser und mein Bein und da hing der Haie dran. Also der kleine Meter Haie. Aber es hat richtig, wie so Spritzen, also wenn man so Spritzen kriegt, so ein stechender Schmerz. Der aber dann sofort wieder vorbei war, als der Haie losgelassen hat. Und ja, ich hatte ja einen Neoprenanzug an. Und dann ist man voller Adrenalin und dann ist alles gut. Und das hat man auch schon wieder vergessen, weil wir dann den Nächsten gegangen sind. Es war ja nur so ein kleiner Hai. Und als ich dann nachmittags den Neopren ausgezogen habe, dann habe ich gemerkt, ach, da ist ja der Hai-Biss und da steckte noch ein kleiner Hai-Zahn drin.
[19:27] Also das ist eine lustige Sache. Haie haben ja mehrere Zähne hintereinander. Viele haben ihn, ne? Die haben so ein Havollorgebiss und sobald einer ausfällt, klappt der Nächste vor. Also das ist, sie haben bis zu 50.000 Zähne, die die im Lauf des Lebens bekommen. Das ist brutal. Also die haben einen großen Verschleiß anzähnt, sodass es denen nichts ausgemacht hat, mich gebissen zu haben. Aber letzten Endes erinnert es mich doch dran an das, was Jeff York erlebt hat. Der ist vom Eisbär gebissen worden. Das war mit Sicherheit doch nochmal eine andere Klasse wie der kleine Hai. Aber hätte der kleine Hai auch. Richtig durchbeißen können? Nein, nein, nein. Okay, gut. Das sind ja nur so kleine Zähnchen. Das war nur was Lustiges so. Okay, nee, dann sind wir froh. Joff hat uns außerdem erzählt, welche Faktoren die Arbeit in der Wildnis so für ihn erschweren und seine Kollegen.
[20:23] Es kann sehr herausfordernd sein, in der Arktis zu arbeiten, aus verschiedenen Gründen. Einer ist die Entfernung zu jeglicher logistischen Unterstützung. Es ist sehr schwierig, kleine Flugzeuge ins Feld zu bringen, Treibstoff bereitzustellen, sichere Unterkünfte zu organisieren und so weiter. Das macht alles sehr teuer. Im Süden des Eisbärgebiets kostet ein typischer Eisbärfang etwa 2.000 bis 3.000 Dollar pro Bär. In der kanadischen Hocharktis oder in Russland kann das bis zu 10.000 bis 15.000 Dollar pro Bär kosten.
[21:01] Alles wegen Logistik, Treibstoff, Hubschrauberzeit. Hinzu kommt das Wetter. Es gibt nur eine begrenzte Zeit im Frühjahr und Herbst, in der das Eis tragfähig genug ist und genug Tageslicht herrscht. Im Laufe meiner Karriere ist die Herbstsaison in Alaska ganz weggefallen, weil das Eis nicht mehr rechtzeitig nachgebildet wurde und es zu dunkel wurde, um zu fliegen. Auch mussten wir das Herbstprogramm beenden und uns aufs Frühjahr konzentrieren. Im Westen, zum Beispiel in der Tschucktschen See, hält das Eis im Frühjahr oft nicht lange genug. Auch dort mussten neuere Feldforschungen eingestellt werden, wegen unsicherer oder gefährlicher Eisbedingungen. Dazu kommt die Unberechenbarkeit der Wildtiere. Die Arbeit im Norden ist also eine Herausforderung und sehr teuer. Spannend finde ich auch, wie Joff und sein Team Daten aus Wurfhöhlen der Eisbären bekommen. Und dazu hat uns Joff das hier erzählt.
[22:03] Wir bringen diese Kameras zu bekannten Wurfhöhlen von besendeten Weibchen, landen mit Abstand, fahren mit Skiern auf 300 bis 500 Meter heran, stellen die Kamera auf und verlassen die Stelle wieder. Im Idealfall merkt die Mutter nicht, dass wir da waren, sieht aber beim Verlassen der Höhle vielleicht das Gerät. So lernen wir, wann sie die Höhle verlassen, in welchem Zustand sie sind, wie viele Junge es gibt und wie viele tatsächlich mit der Mutter abziehen. Das ist nicht immer gleich. Es gibt auch frühe Verluste. Das Projekt war sehr hilfreich. An dieser Stelle machen wir einen Cut. In der nächsten Woche geht es weiter mit Joff York und uns beiden. Joff erzählt uns dann, welche Rolle die Zusammenarbeit mit dem Zoo Karlsruhe hat, Besonders dann, wenn es um Daten aus Geburtshöhlen der Eisbären geht. Dabei spielen nämlich auch Nuka und Mika eine entscheidende Rolle. Seid gespannt, wir sind es, oder Herr Rainschmidt? Absolut, es ist absolut toll, was wir da von Geoff York alles hören. Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, wir hoffen, dass es euch auch gefallen hat. Lasst uns gerne ein Like da und aktiviert die Glocke, um keine Folge zu verpassen. Weitere Informationen rund um das Thema findet ihr in der Beschreibung. Herr Rainschmidt, wir hören uns nächste Woche wieder. Mit Sicherheit, Frau Mayer. Bis dahin, tschüss. Tschüss.
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